Immer mehr Menschen nutzen Online-Angebote und Apps, um fitter, gesünder oder schlanker zu werden. Sie zählen zum Beispiel die Schritte, die sie am Tag zurücklegen. Sie messen ihr Tempo beim Joggen oder kontrollieren, ob sie genug Vitamine zu sich nehmen.
„Sport ist mir wichtig. Ich möchte vor allem meine Kraft und Ausdauer stärken“, sagt Henning aus Berlin. Wenn er joggen geht, ist er mit einer Lauf-App unterwegs. Sie misst die Länge der Strecke, die er zurückgelegt hat, und die Zeit, die er dafür gebraucht hat. Die Ergebnisse kann der 18-Jährige mit anderen Nutzern teilen. Praktisch für Henning: „Ich schicke meine Werte immer direkt an meinen Bruder, das ist so ein kleiner Wettbewerb zwischen uns.“ Seine Muskeln trainiert Henning nicht nur im Sportstudio, sondern auch zu Hause – mit Hilfe von Online-Tutorials und YouTube-Videos. Dank der Online-Coaches kennt Henning inzwischen alle unterschiedlichen Formen von Liegestützen und weiß, wie man Trizeps, Brust- und Schultermuskeln stärkt.
Seine Erfahrung: „Professionell gemachte Videos sind ein guter Einstieg. Man macht die gezeigten Übungen mit und bricht dann nicht einfach nach der Hälfte ab. Das steigert die Disziplin und die Motivation.“ Henning nutzt außerdem eine Ernährungs-App. „Ich gebe ein, was ich esse. Die App rechnet die Kalorien- und Nährwertangaben aus. Wenn ich sehe, dass ich an dem Tag zum Beispiel zu viel Salz oder zu wenig Eiweiß gegessen habe, kann ich darauf bei der nächsten Mahlzeit reagieren. Das ist wie eine mathematische Spielerei.“ Hennings Fazit: Die App hilft bei einer bewussten Ernährung, hat aber auch Grenzen. „Morgens meine Stulle abwiegen, um die App mit den richtigen Daten zu füttern? Dafür habe ich keine Zeit.“
Henning (18) über seine Erfahrungen mit Online-Tutorials und Ernährungs-Apps57 Prozent nutzen Fitness- oder Gesundheits-Apps
Der sportliche Berliner gehört zu den 57 Prozent der Deutschen, die Fitness- oder Gesundheits-Apps nutzen. 33 Prozent der Menschen in Deutschland sind bereit für solche Apps Geld auszugeben. Die Zahlen stammen aus einer 2015 durchgeführten repräsentativen Studie der Versicherungsgesellschaft Hannoversche.
Klar ist: Der digitale Gesundheitsmarkt boomt. Nicht nur Apps verkaufen sich gut, sondern auch Fitnesstracker. Das sind Armbänder oder Clips, die man an der Kleidung befestigen kann. Die Fitnesstracker sind mit Sensoren ausgestattet. Sie messen zum Beispiel den Herzschlag, zählen die Schritte oder den Kalorienverbrauch des Nutzers. Es gibt auch Fitnesstracker, die Schlafphasen aufzeichnen und erfassen, wann der Nutzer besonders tief und fest schläft oder ob er im Schlaf spricht. Aus diesen Daten errechnen die dazugehörigen Apps dann sinnvolle Aussagen.
Die eigenen Körperwerte genau zu erfassen, gehört inzwischen zum Alltag vieler Menschen in Deutschland. Dafür gibt es vier Gründe. Erstens: Die Deutschen achten immer mehr auf ihre Gesundheit und Fitness. Zweitens sind Smartphones mittlerweile weit verbreitet. Und drittens ist es in den vergangenen Jahren immer billiger geworden, die Sensoren, die bestimmte Werte messen, herzustellen. Der vierte Grund: Es sind digitale Technologien entwickelt worden, die Daten sammeln und optisch aufbereiten können. Die Ergebnisse lassen sich bequem per Smartphone abrufen und die Nutzer können ihre Trainingsergebnisse oder Schlafphasen als bunte Kurven und Diagramme betrachten.
9.000 Schritte für eine Packung Schokokugeln
„Eine tolle Funktion“, sagt Christine Graf von der Deutschen Sporthochschule Köln. Die Sportwissenschaftlerin findet, dass Fitness- und Gesundheits-Apps, die die Bewegung, das Essverhalten oder bestimmte Körperwerte des Nutzers aufzeichnen und darstellen, eine gute Erfindung sind. „Wir arbeiten an unserem Institut viel mit
übergewichtigen Kindern. Auf ihrer App sehen sie zum Beispiel, dass sie
Kritik an der digitalen Selbstvermessung
Immer mehr Menschen wollen
sich mit Hilfe digitaler Technik
selbst optimieren. Simon gehört nicht dazu. Der
Auch Datenschützer kritisieren die digitale Selbstvermessung. Sie warnen davor, persönliche Daten sorglos weiterzugeben. Ob man die erfassten Werte mit Facebook-Freunden oder der Twitter-Öffentlichkeit teilt, kann jeder selbst entscheiden. Anders ist es allerdings mit den Informationen, die die App-Anbieter über den Aufenthaltsort und den Gesundheitszustand ihrer Kunden sammeln. Wie seriös die einzelnen Firmen sind und wie ernst sie Datenschutzbestimmungen nehmen, lässt sich nicht so leicht nachprüfen. Deshalb ist nicht auszuschließen, dass Daten der Kunden zum Beispiel an Pharma-Unternehmen oder Krankenkassen verkauft werden.
„Mit all den Häkchen, die man in den Apps so klickt, gibt man seine Daten frei für kommerzielle Interessen. Das ist auf alle Fälle ein Problem“, meint auch der sportbegeisterte Henning aus Berlin. Fitness-Apps findet er trotzdem gut – ebenso wie das Muskeltraining ganz ohne digitale Hilfsmittel: „Ich trainiere gern auch gemeinsam mit Freunden. Man unterstützt sich bei Übungen, die man nicht allein machen kann. Und wir freuen uns alle zusammen, wenn einer seine Leistung steigert. Denn das zeigt ja, dass das Training funktioniert.“