Kinderspielzeug
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Das Freiwillige Soziale Jahr in Deutschland

Schülerinnen und Schüler der Deutschen Sprachschule Cleveland finden die Möglichkeit spannend, dass man in Deutschland ein Freiwilliges Soziales Jahr machen kann, um einen Beruf im sozialen Bereich näher kennenzulernen.

Aus diesem Grund haben sie ein Interview mit der deutschen Kindergärtnerin Christa Müller geführt, die mehr über dieses Thema berichten konnte. Sie haben sich vorab konkrete Fragen überlegt und das Interview anschließend im folgenden Text zusammengefasst.

Junge Menschen haben in Deutschland nach der Schule die Möglichkeit, ein sogenanntes Freiwilliges Soziales Jahr zu machen. Die jungen Leute sind im sozialen oder kulturellen Bereich beschäftigt.

1954 wurde das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) vom Diakoniewerk ins Leben gerufen, um bei jungen Menschen ein Interesse für soziale Berufe zu wecken. Die Bundesregierung verabschiedete dann 1964 das „Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres“, um den Freiwilligendienst auf eine rechtliche Grundlage zu stellen. Das Gesetz wurde 1993 erweitert. Von jetzt an waren auch einjährige Einsätze im Ausland möglich, und es gab nun auch ein Ökologisches Freiwilliges Jahr. 2002 wurden mehr Einsatzbereiche hinzugefügt, zum Beispiel im Bereich Sport und Kultur.

Wir sind Schülerinnen und Schüler aus der DSD Vorbereitungsklasse der Deutschen Sprachschule Cleveland, die sich für dieses Thema interessieren. Aus diesem Grund haben wir Christa Müller eingeladen. Frau Müller war viele Jahre als Kindergärtnerin in der Katholischen KiTa St. Mariä Empfängnis in Solingen tätig. Sie hat sich bereit erklärt, uns zu besuchen und an einem Interview teilzunehmen.

Zunächst stellt sich Frau Müller kurz vor

Ich habe 37 Jahre als Kindergärtnerin gearbeitet und betreute mit einer Kollegin in der KiTa St. Mariä Empfängnis die Gruppe der unter Dreijährigen, also der jüngsten Kinder. Viele der Kinder in dieser KiTa kommen aus Familien mit Migrationshintergrund, da sich die KiTa in einem sozialen Brennpunkt von Solingen befindet. Es ist nicht immer einfach, den jeweiligen kulturellen Hintergrund der Kinder zu berücksichtigen. In der KiTa geht es jedoch immer sehr demokratisch zu, es wird sogar von den Kindern gewählt, was jede Woche auf dem Speiseplan steht.

Chloé: Von wann bis wann läuft das FSJ?

Frau Müller: Das FSJ dauert vom Ende eines Schuljahres bis zum Ende des nächsten Schuljahres.

Chloé: Wie alt sind die meisten dieser jungen Menschen, die an diesem Programm teilnehmen?

Frau Müller: Die Helfer sind 18 bis 26 Jahre alt, wenn sie ein FSJ absolvieren.

Elisa: Bekommt jeder, der sich für diesen Job interessiert, automatisch einen Job?

Frau Müller: Nein, man wird nicht automatisch angenommen, sondern muss sich hierfür wie für jede andere Arbeitsstelle bewerben. An der KiTa St. Mariä Empfängnis ist jedes Jahr eine Person beschäftigt, die für das FSJ sorgfältig ausgewählt wurde.

Elisa: Wurden manche Helfer auch später Erzieher in einem Kindergarten?

Frau Müller: Ja, einige der jungen Menschen, die in unserer KiTa gearbeitet haben, haben sich anschlieβend entschlossen, den Beruf des Erziehers zu ergreifen. Dies hat uns natürlich ganz besonders gefreut.

Isabella: Was denken Sie über dieses Programm? Könnte es sein, dass diese Jugendlichen anschlieβend nicht studieren möchten, nachdem sie gerade ein freies Jahr hatten?

Frau Müller: Nein, dieses Programm ist ja kein „freies“ Jahr im eigentlichen Sinn. Genau im Gegenteil: Es ist nicht nur ein Job, es hilft den jungen Leuten auch, herauszufinden, was sie im Leben machen wollen. Und niemand dieser Jugendlichen macht es für das Geld, das sie erhalten. Das Gehalt ist auch nicht sehr hoch. Oft erhalten die jungen Leute jedoch auch zusätzlich Geld für die Anfahrt und Verpflegung. Im Übrigen zahlen staatliche Organisationen ein höheres Gehalt als kirchliche Organisationen.

Isabella: Denken Sie, dass dieses Programm in 20 oder 50 Jahren noch existieren wird? Warum oder warum nicht?

Frau Müller: Ja, davon bin ich überzeugt. Die Idee des FSJ existiert ja schon seit 1954. Heutzutage wird es von sogenannten Trägern, also zum Beispiel Organisationen und Kirchen, durchgeführt. Im sozialen Bereich tätig zu sein ist nach wie vor aktuell und wird auch weiterhin wichtig in unserer Gesellschaft sein. Es gibt den jungen Menschen gleichzeitig die Möglichkeit, Arbeitserfahrung zu sammeln. Dies hilft ihnen dann auch bei der Arbeitssuche oder beim Studium, wo es ihnen dann auch angerechnet wird.

Mason: Nehmen mehr Jungen oder Mädchen am FSJ teil?

Frau Müller: Eindeutig mehr Mädchen. Mädchen haben eigentlich mehr Interesse am Beruf der Erzieherin. Ich denke, es nehmen auch allgemein mehr Mädchen am FSJ teil als Jungen.

Mason: Was lernen die Absolventen konkret?

Frau Müller: Das FSJ ist eine sehr hilfreiche Erfahrung für junge Menschen. Sie lernen ganz viel über den Job des Erziehers, den täglichen Ablauf in einem Kindergarten und wie man überhaupt mit Kindern umgeht. Sie lernen auch, ob sie immer noch an dieser Karriere Interesse haben. Wenn jemand eine schlechte Erfahrung macht, ist es nicht immer eine schlimme Sache, weil sie dann wissen, dass sie lieber einen anderen Beruf ergreifen möchten.

Avery: Würden Sie ein FSJ für alle empfehlen?

Frau Müller: Ein FSJ ist nicht für jeden. Nicht jeder möchte ein Jahr warten, bevor er nach der Schule mit der Ausbildung oder dem Studium beginnt und nicht jeder hat ein Interesse daran, sich sozial zu engagieren.

Avery: Hilft ein FSJ, in der Zukunft einen Job zu bekommen?

Frau Müller: Ja, natürlich kann es helfen, weil man ein Zeugnis bekommt, wenn man fertig ist. Man kann es auch gut für seinen Lebenslauf benutzen, weil es eine sehr hilfreiche Arbeitserfahrung ist.

Avery, Chloé, Elisa, Isabella, Mason: Liebe Frau Müller, herzlichen Dank für Ihren Besuch und dieses interessante Interview.