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Stadt und Leben

Leben in der Filterblase – wie Algorithmen unsere Wahrnehmung formen

Sechs junge Menschen stehen nebeneinander und blicken konzentriert auf ihre Smartphones.
© Creative Christians, unsplash.com

Algorithmen bestimmen, welche Inhalte Nutzerinnen und Nutzer im Internet angezeigt bekommen. Dadurch entstehen Filterblasen, die uns nur das präsentieren, was wir sowieso kennen. So kann ein problematisches Weltbild entstehen. Sind sich Jugendliche dessen bewusst und wie gehen sie damit um?

Wir treffen uns gern mit Menschen, mit denen wir uns gut verstehen. Und das sind oft Freundinnen und Freunde, mit denen wir viele Gemeinsamkeiten haben. Je mehr Zeit wir miteinander verbringen und über bestimmte Themen sprechen, umso eher entwickelt sich eine gemeinsame Meinung zu diesen Themen. Das ist erst mal nichts Schlechtes. Wenn wir allerdings nicht mehr aufgeschlossen gegenüber anderen Ansichten sind, unsere Meinung nicht mehr kritisch hinterfragen und sie nicht anpassen möchten, dann leben wir in einer Meinungsblase.

Online ist das nicht anders, nur dass man viel schneller in die sogenannte Filterblase hineingeraten kann. Den Begriff hat Eli Pariser im Jahr 2011 in seinem Buch „Filter Bubble“ (2012 unter dem Titel „Filter Bubble: Wie wir im Internet entmündigt werden“ auf Deutsch erschienen) geprägt. Er definiert sie folgendermaßen: „Eine Filterblase ist das persönliche Informationsuniversum, das Sie online bewohnen – einzigartig und nur für Sie aufgebaut durch die personalisierten Filter, die das Web jetzt antreiben.“

Wie und wo wir Informationen konsumieren, hat sich in den letzten Jahrzehnten mit der Digitalisierung sehr stark verändert. Es gibt immer mehr Möglichkeiten, Informationen zu verschiedenen Themen zu erhalten. Leider gibt es auch viele Informationen, die falsch sind. Oder Meinungen werden einfach als Fakten dargestellt.

Algorithmen bestimmen, was wir sehen

Algorithmen sammeln alles, was wir im Internet tun, also welche Videos wir uns ansehen, welchen Profilen wir folgen, auf welche Links wir klicken. Diese Algorithmen, die von Suchmaschinen und Social-Media-Kanälen genutzt werden, versuchen, die Inhalte an das Verhalten der Nutzenden anzupassen. Und das gelingt meist erstaunlich gut. Wir bekommen Inhalte, die uns interessieren.

Das hat natürlich Vorteile. Es ist bequem, dass wir uns aus der Fülle an Informationen im Netz nicht mühsam das suchen müssen, was wir gern sehen, lesen und hören wollen. Aber es sorgt dafür, dass uns nach einiger Zeit nur noch sehr einseitige Information und Unterhaltung angezeigt wird.

Die Informationen und Beiträge, die wir bekommen, können unsere bestehenden Ansichten und Meinungen verstärken. Vor allem in Bezug auf Fake News ist das eine gefährliche Sache. Da viele Jugendliche ihre Informationen über das aktuelle Tagesgeschehen hauptsächlich aus sozialen Medien beziehen und mit Inhalten interagieren, die von Algorithmen aufgrund ihrer Vorlieben und Verhaltensweisen ausgewählt werden, sind sie von diesem Phänomen besonders betroffen. Wir haben Leo und Marlene zu diesem Thema befragt.

Leo, 15, Schüler

Jungentlicher mit Sommersprossen und Zahnspange blickt freundlich in die Kamera.

Leo | © privat

Leo, hast du dich schon mit Filterblasen und ihren Auswirkungen beschäftigt?

Marlene, 24, hat Kultur- und Medienpädagogik studiert

Jugendliche mit langen, braunen Haaren steht vor einer Klinkerwand und lächelt in die Kamera.

Marlene | © privat

Marlene, ist dir bewusst, dass Algorithmen Filterblasen verursachen?

Welche Auswirkungen können Filterblasen deiner Meinung nach haben?

Kann man etwas gegen die Bildung von Filterblasen tun?

Was möchtest du sonst noch zu dem Thema sagen?

Medienakademien fördern die Medienkompetenz

Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hat in Zusammenarbeit mit der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen an PASCH-Schulen Medienakademien für Schülerinnen angeboten, um Mädchen und Frauen Medienkompetenz zu vermitteln und den Umgang mit digitalen Medien zu reflektieren. In den Akademien wurde nicht nur die kritisch hinterfragende Interaktion mit Medien thematisiert, sondern auch über geschlechterbasierte Online- Gewalt gesprochen. Bei den interaktiven Lerneinheiten konnten die Schülerinnen selbst kreativ werden und waren begeistert bei der Sache. Auch das Thema Filterblasen war Teil des Programms, wir haben mit den Projektverantwortlichen Dina Klingmann und Susann Gihr darüber gesprochen.

Portraits von Dina Klingmann (l.) und Susann Gihr

Dina Klingmann (l.) und Susann Gihr | © privat

Was ist gefährlich an Filterblasen?

In Filterblasen werden Menschen nur noch mit Informationen konfrontiert, die ihre Meinungen und Überzeugungen bestätigen. Vorurteile werden verstärkt und andere Perspektiven werden nur noch selten bedacht. Zusammenhänge werden stark vereinfacht und aus dem Kontext gelöst. Problematisch wird es, wenn Meinungen als Fakten dargestellt werden und keine Überprüfung von Informationen stattfindet.

Sind sich Jugendliche der Problematik bewusst?

Als Digital Natives sind Jugendliche mit Social Media aufgewachsen. Sie verfügen über ein großes Wissen zu digitalen Medien. Eine regelmäßige Nutzung von Social Media heißt jedoch nicht zwangsläufig, dass Jugendliche wirklich Medien-kompetenzen besitzen. Wir waren jedoch begeistert von dem umfangreichen Wissen und der Neugier, welche die Schülerinnen, die unsere Medienakademien besucht haben, mitgebracht haben. Viele Jugendliche setzen sich mit dem Thema Desinformation und Filterblasen auseinander. Die Vorteile von Social Media zu nutzen und es nicht zu verteufeln, stehen dabei im Vordergrund.

Welche Rolle spielen Jugendliche beim Kampf gegen Desinformation?

Wir müssen die Expertise von Jugendlichen mehr wertschätzen und Jugendliche als wichtige Akteurinnen und Akteure anerkennen, anstatt sie überwiegend als Zielgruppe zu sehen. Nur mit ihnen können sogenannte 21st Century Skills wie kritisches Denken und Medienkompetenzen im Umgang mit (Des-)Informationen gestärkt werden. 

Was kann man gegen Filterblasen tun?

Um Filterblasen zu begegnen, werden grundlegende digitale und Medienkompetenzen benötigt, um folgende Fragen zu beantworten: Wie kann ich Medien für mich nutzen? Wie kann ich Inhalte kritisch reflektieren? Wie kann ich Quellen überprüfen, um nicht selbst (aus Versehen) Desinformationen zu verbreiten? Und wie kann ich Desinformationen begegnen?

In einer Welt, in der Algorithmen zunehmend unsere Informationsquellen formen, ist es also entscheidend, dass wir uns der Gefahren bewusst sind, die mit Filterblasen einhergehen. Diese Blasen können unsere Sicht auf die Welt verengen und uns von vielfältigen Perspektiven isolieren. Jugendliche können als aktive Gestalterinnen und Gestalter ihrer digitalen Umgebung dazu beitragen, ein ausgewogenes und gut informiertes Meinungsbild zu fördern.

aufgeschlossen: offen für neue Ideen oder Ansichten sein
die Filterblase, die Filterblasen: hier auch „Meinungsblase“ genannt: eine Informationsumgebung, die durch Algorithmen erstellt wurde und den Nutzerinnen und Nutzern nur Inhalte präsentiert, die schon bestehenden Ansichten entsprechen
prägen: hier: einen Begriff neu erfinden und populär machen
etwas antreiben: hier: der Motor sein von etwas, ein zentraler Bestandteil sein
der Algorithmus, die Algorithmen: eine Reihe von Anweisungen, die von Computern ausgeführt werden, um bestimmte Aufgaben zu erledigen
etwas anpassen an: ausrichten an, sich orientieren an
die Fülle: eine große Menge von etwas
mühsam: etwas, das viel Arbeit erfordert
einseitig: hier: nicht ausgewogen, ohne Berücksichtigung anderer Perspektiven
bestehend: schon vorhanden
Fake News: englischer Begriff für falsche oder irreführende Informationen, die absichtlich verbreitet werden
das Tagesgeschehen: hier: die aktuellen Nachrichten aus aller Welt
betroffen sein: hier: ist besonders stark, ausgeprägt bei
betroffen sein: hier: ist besonders stark, ausgeprägt bei
die Medienkompetenz, die Medienkompetenzen: die Fähigkeit, mit Medien und Informationen kritisch umzugehen
der Umgang: wie man sich mit etwas beschäftigt
reflektieren: über etwas nachdenken
kritisch hinterfragend: mit einem kritischen Blick auf die Dinge
geschlechterbasierte Gewalt: Gewalt, die sich gegen eine Person wegen ihres Geschlechtes richtet
geschlechterbasierte Gewalt: Gewalt, die sich gegen eine Person wegen ihres Geschlechtes richtet
begeistert bei der Sache sein: bei etwas mit viel Freude und Einsatz mitmachen
die Filterblase, die Filterblasen: hier auch „Meinungsblase“ genannt: eine Informationsumgebung, die durch Algorithmen erstellt wurde und den Nutzerinnen und Nutzern nur Inhalte präsentiert, die schon bestehenden Ansichten entsprechen
konfrontiert werden: hier: jemandem etwas vor Augen halten, zeigen
konfrontiert werden: hier: jemandem etwas vor Augen halten, zeigen
aus dem Kontext lösen: etwas isoliert zeigen, ohne wichtige Zusammenhänge
der Digital Native, die Digital Natives: eine Person, die mit digitalen Medien aufgewachsen ist und diese daher als etwas Selbstverständliches wahrnimmt
über ein großes Wissen verfügen: sehr viel wissen; viele Kenntnisse haben
zwangsläufig: hier: automatisch
umfangreich: groß, vielfältig
sich auseinandersetzen mit: sich intensiv mit etwas beschäftigen
sich auseinandersetzen mit: sich intensiv mit etwas beschäftigen
etwas verteufeln: etwas stark kritisieren oder ablehnen
wertschätzen: jemanden oder etwas respektieren, seinen Wert erkennen und dies auch zeigen
überwiegend: vor allem
die 21st Century Skills: Fähigkeiten, die für das 21. Jahrhundert wichtig sind, wie kritisches Denken, Problemlösungsfähigkeiten und digitale Kompetenzen
einhergehen mit: in Verbindung stehen mit
etwas verengen: etwas begrenzen, limitieren
ausgewogen: ausgeglichen, ohne extreme und einseitige Positionen