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Stadt und Leben

Partnersuche 2.0

digitale Liebe
Ein rotes Herz liegt auf der Tastatur eines Notebooks | © picture alliance / ZB

Online, per App oder auf einer Party? Man kann nie wissen, wo man die große Liebe findet. Junge Leute auf Partnersuche in Deutschland.

Im Restaurant eines schicken Hotels sitzen sieben junge Frauen und Männer an sieben Tischen. „Dennis93“ erzählt, dass er gerne in den Zoo geht und Tapire mag. Dann fängt ein Glas an zu klirren. Das ist das Zeichen. Die Männer brechen ihre Gespräche ab und tauschen ihre Plätze. Die nächsten sieben Minuten plaudern sie mit der Frau am Nachbartisch. Sie erzählen, wer sie sind, welche Musik sie hören, welche Hobbys sie haben. Dann lässt der „Dating-Angel“, der die Zeit stoppt, wieder das Glas erklingen. Wieder wechseln alle ihre Plätze. Sieben mal sieben Minuten lernen sich die Teilnehmer so flüchtig kennen. Jeder notiert sich den Nickname des anderen und ein paar Merkmale, die ihm aufgefallen sind. Danach geht jeder nach Hause und bewertet seine Favoriten in einem Online-Portal. Gibt es ein „ Match“, können beide chatten und sich wieder verabreden.

Schnell mal verlieben

„Speed-Dating“ ist einer von vielen Dating-Trends. Das Konzept kommt aber nicht aus der Werbeindustrie, erklärt der „Dating-Angel“. Ein Rabbiner aus den USA hat sich das Konzept Ende der neunziger Jahre ausgedacht. Er wollte, dass Alleinstehende jüdischen Glaubens sich schneller kennenlernen können. Bald entwickelte sich Speed-Dating zum Erlebnis für jedermann. Auch in Deutschland gibt es Speed-Dating-Events, meistens in Großstädten.

Gleichgesinnte kennen, sagt der 30-jährige Teilnehmer „PeterZ“. In der Stadt leben so viele Leute, dass man den Überblick verliert, sagt der 21-jährige Teilnehmer „Jin“.

Digitalisierung und Demografie

Wie findet man bloß seine bessere Hälfte? Wie sich die Suche nach dem Liebespartner heutzutage abspielt, das erforscht die Soziologin Doreen Zillmann an der Universität Bamberg. Anhand von Datensätzen eines Online-Dating-Portals untersucht ein Forschungsteam, wie Singles zueinander finden. Im Netz nach einem Seelenverwandten zu suchen, ist heute gang und gäbe.

Nicht nur unter jungen Menschen, auch unter Senioren gibt es heutzutage einige Singles. Die einen sind geschieden, die anderen sind verwitwet. In Deutschland leben rund 17 Prozent der Männer und ganze 41 Prozent der Frauen ab 60 Jahren allein. Das ergab eine Untersuchung des Statistischen Bundesamtes 2008. Aber auch im mittleren Alter ist das Singledasein nicht ungewöhnlich. 29 Prozent der Frauen 25 Prozent der Männer zwischen 27 und 59 Jahren leben getrennt oder geschieden.

„Ältere Menschen nutzen das Internet zur gezielten Partnersuche, da es in ihrem direkten Umfeld in der Regel weniger Auswahl gibt“, sagt Doreen Zillmann. Unter den jungen Erwachsenen zwischen 18 und 26 Jahren verzeichnet das Statistische Bundesamt 20 Prozent Singles. Dass mehr und mehr Jugendliche online nach Partnern suchen, liege am digitalen Wandel, sagt Doreen Zillmann: „Wenn ich online shoppen gehe und soziale Netzwerke nutze, warum dann nicht auch online daten?“

Disco mit Dating-App

Katharina (27) nutzt zur Partnersuche das Internet und Apps © Ananda Bräunig

Katharina (27) lernt regelmäßig neue Leute auf Partys kennen. Sie sucht aber auch im Internet und über Apps nach Flirtpartnern. Oder sie verbindet alles miteinander: „Wenn ich abends unterwegs bin, dann schaue ich mit meiner Dating-App, wer gerade in der Nähe ist und Interesse hat, mich kennenzulernen.“ Die Dating-App zeigt an, welche Mitglieder sich gerade in der Nähe befinden und auf der Suche sind. „Ist in einem Club niemand, der mir gefällt, kann ich über die App schauen, ob vielleicht jemand Nettes im Club nebenan ist“, sagt Katharina.

Katharina (27) über die Partnersuche im Internet und über Apps

Was ist der Vorteil bei Partnersuche im Internet?
Wie funktioniert die Dating-App?

Wie suchst du ansonsten nach einem Partner?


Volle Punktzahl

Von einer Partnerbörse will jeder profitieren. Dating-Firmen versprechen eine „hohe Erfolgsquote“. Das lockt die Kundschaft. Viele Singles wollen den „richtigen“ Partner finden, und das am liebsten schnell. Das ist aber nicht so einfach. „Man hat bei Partnerbörsen zwar eine große Auswahl, kann aber schnell in der Masse untergehen“, sagt Katharina. Beim Online-Dating sei die Mehrheit auf der Suche nach langfristig angelegten Paarbeziehungen, sagt Doreen Zillmann. Es gebe aber auch Leute, die es aus Neugier nutzen, um ihren „ Marktwert“ zu testen.

Daniel (29) nutzt Online-Dating-Portale, um neue Erfahrungen zu sammeln © Ananda Bräunig

Daniel (29) ist zum Beispiel recht beliebt bei den Frauen. Er hat sich bei einem Online-Portal angemeldet, um neue Erfahrungen zu sammeln. Bei den Bewertungen erreichte er die höchste Punktzahl. Mit einigen Frauen hat Daniel nur gechattet. Ein paar hat er persönlich getroffen. „Man sieht erst nur das Profil und baut sich Welten auf. Die Realität ist dann komplett anders. Das kann lustig sein oder spannend oder auch beklemmend“, sagt er. „Dann sitzt ein wildfremder Mensch vor dir, was erstmal peinlich ist. Aber wenn Du dich anstrengst, dann taut man auf und oft entwickeln sich coole Gespräche.“

Daniel (29) über das erste persönliche Kennenlernen eines Online-Dating-Kontakts

Wie ist das, wenn man jemanden online kennenlernt und dann persönlich trifft?

Wie geht das Date dann weiter?


Am Ende zählt die Begegnung

Doreen Zillmann, Soziologin an der Universität Bamberg © privat

Bis es zu einem Rendezvous kommen kann, muss sich der Partnersuchende ins Zeug legen. Damit ein Treffen über ein Online-Portal infrage kommt, muss das Profil aufrichtig und „attraktiv“ sein. „Die meisten Leute optimieren ihr Profil, aber nur graduell. Denn irgendwann kommt das Offline-Treffen und das soll ja nicht zur Enttäuschung führen“, sagt Doreen Zillmann. Der Nickname und das Lebensmotto müssen originell klingen. Profilnamen wie „Bärchen-sucht-Herzchen“, sagt Katharina, machen Männer unattraktiv. Außerdem sollte das Profilfoto realitätsgetreu sein. Nur dann hat der Suchende Chancen, einen Dating-Partner zu finden. Retusche und Fotofilter sind in der Dating-Community nicht gern gesehen.

Die Soziologin Doreen Zillmann über Online-Dating

Was erhoffen sich die Partnersuchenden vom Online-Dating?

Stellen sich die Leute online anders dar als in der Wirklichkeit?

Auch wenn Katharina in vielen Dating-Portalen und Apps unterwegs ist – sie lernt ihren Typ Mann am liebsten offline kennen: „Der Blickkontakt in der Disco, sich anzulächeln und zu flirten, das fällt über eine App ganz weg“, sagt sie. Ihren ersten Freund hat sie kennengelernt, als sie mit Kumpels in einer Kneipe war. Zu der Zeit gab es noch keine Smartphones. Wenn sie heute die umliegenden Bars per App nach Singles scannt, ist das zwar eine lustige Spielerei. Aber die Masse der Mitglieder überfordert sie manchmal: „Man hat das Gefühl, nach jedem ‚Match‘ könnte noch ein besserer kommen.“

Für Daniel sind Dating-Apps deshalb völlig uninteressant. Bei Online-Partnerbörsen sieht er aber Vorteile – zumindest, wenn es um das erste Kennenlernen geht: „Es ist einfacher, sich übers Internet anzusprechen als im Club“, sagt er und betont: „Letztendlich zählt aber immer die Begegnung.“

der Tapir, die Tapire: ein Tier, das in Lateinamerika und Asien lebt und einem Schwein ähnlich sieht
klirren: das Geräusch, wenn Gläser zusammenstoßen
plaudern: sich über leichte Themen unterhalten
flüchtig: kurz (zeitlich)
der Nickname, die Nicknamen / Nicknames (engl.): der Name, mit dem eine Person im Internet unterwegs ist
das Match, die Matches (engl.): hier: die Übereinstimmung; zwei Teilnehmer passen gut zueinander
der Rabbiner, die Rabbiner: ein jüdischer Religionslehrer
der/die Alleinstehende, die Alleinstehenden: eine unverheiratete Person
der/die Gleichgesinnte, die Gleichgesinnten: eine Person, die sich für die gleichen Dinge interessiert wie eine andere Person
die bessere Hälfte, die besseren Hälften: hier: ein Partner oder eine Partnerin
die Soziologin, die Soziologinnen: eine Wissenschaftlerin, die sich damit beschäftigt, wie die Menschen in einer Gesellschaft zusammenleben
der Datensatz, die Datensätze: eine Gruppe von Daten, die zueinander gehören
der/die Seelenverwandte, die Seelenverwandten: eine Person, die gleich oder ähnlich wie eine andere empfindet
gang und gäbe: üblich, normal
der Senior/die Seniorin, die Senioren: eine ältere Person
der digitale Wandel: in Beruf und Alltag werden digitale Geräte immer wichtiger und populärer
das soziale Netzwerk, die sozialen Netzwerke: Websites, über die viele Menschen miteinander Kontakt haben (zum Beispiel Facebook)
die Erfolgsquote, die Erfolgsquoten: die Prozentzahl, wie viele Nutzer erfolgreich sind und einen Partner/eine Partnerin finden
locken: hier: Interesse erzeugen, neue Kunden gewinnen
in der Masse untergehen: hier: nicht viel Aufmerksamkeit bekommen, da so viele andere Personen auch einen Partner/eine Partnerin suchen
der Marktwert: hier: die Attraktivität einer Person für potentielle Partner
sich Welten aufbauen: hier: sich ausführlich vorstellen, wie eine Person ist
beklemmend: hier: beängstigend; Angst machen
peinlich: unangenehm, blöd
auftauen: hier: locker werden, sich entspannen
auftauen: hier: locker werden, sich entspannen
das Rendezvous, die Rendezvous: das Treffen
sich ins Zeug legen: sich anstrengen
sich ins Zeug legen: sich anstrengen
aufrichtig: ehrlich
graduell: hier: ein bisschen
die Retusche, die Retuschen: ein Foto verändern, so dass es besser aussieht
der Fotofilter, die Fotofilter: eine Funktion in Bildbearbeitungsprogrammen wie zum Beispiel Adobe Photoshop, mit der ein Foto mehr oder weniger stark verändert werden kann
der Kumpel, die Kumpels: hier: der Freund
die Kneipe, die Kneipen: ein gemütliches Lokal, in dem man vor allem (alkoholische) Getränke trinkt, aber auch kleine Gerichte essen kann
scannen: hier: absuchen, durchsuchen